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Ostersonntag – Radiobotschaft

Zwischen den Generalkonferenz Sessionen hatte ich heute morgen wieder die Gelegenheit, das Wort zum Tage auf Deutschlandradio Kultur zu sprechen. Die Aufnahme in Berlin letzte Woche war eine schöne Erfahrung – vor allem wegen der überaus freundlichen und hilfsbereiten Menschen, die ich beim Sender treffen durfte. Ein herzliches Dankeschön an die Regisseurin und allen, die sichtbar oder unsichtbar beteiligt waren.

Hier ist der Link zum Audio-Archiv des Senders für alle, die sonntags nicht so zeitig aufstehen mögen. Ihr habt bis 2038 Zeit, es euch anzuhören. 🙂

https://www.deutschlandfunkkultur.de/audio-archiv.517.de.html?drau%5Bsubmit%5D=1&drau%5Bsearchterm%5D=&drau%5Bfrom%5D=04.04.2021&drau%5Bto%5D=04.04.2021&drau%5Bbroadcast_id%5D=218

Für diejenigen, die lieber lesen, folgt hier der Text:

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

eine der für mich ergreifendsten Szenen im Neuen Testament, ist die Begegnung von Maria Magdalena mit dem auferstandenen Jesus Christus an jenem Ostersonntagmorgen vor fast 2000 Jahren. Immer wenn ich die Verse im Johannes Evangelium (siehe Kapitel 20) lese, stelle ich mir die unendliche Freude vor, die Maria erfasste, als sie Jesus, um den sie sehr getrauert hatte, schließlich erkannte. In diesem Moment verstand sie endlich genau, dass alles eingetroffen war, wovon er viele Male vorher gesprochen hatte.

Für mich persönlich sind die Ereignisse, derer wir zu Ostern gedenken, der Inbegriff einer Hoffnung und eines Glaubens, die mich durch viele Herausforderungen in meinem Leben getragen haben.

Zu Ostern wird sehr viel über die Kreuzigung Christi gesprochen. Es gibt unzählige Bücher und Filme, die sein Leiden darstellen. Es wird weniger über einen einsamen, aber sehr bedeutungsvollen Moment gesprochen – sein Gebet im Garten Gethsemane, kurz bevor man ihn gefangen nahm.

Im Lukas Evangelium lesen wir, was Jesus in dieser Stunde des geistigen Schmerzes im Gebet sagte: „Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir. Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen. … Und er betete in seiner Angst noch inständiger und sein Schweiß war wie Blut, das auf die Erde tropfte.“ (siehe Lukas 22, Verse 42 und 44)

Wie groß muss das Leiden eines Menschen sein, aus dessen Poren Blut dringt?

Der Messias hat die Schrecken und Ungewissheiten des physischen Todes durch seine Auferstehung überwunden. Er hat außerdem auch die Last unserer Schwächen getragen, all unseren Kummer, unser Leid, unsere Krankheiten und alle Arten von Bedrängnis, die man als Sterblicher erleben kann. Es gibt keine Seelenqual, keine Betrübnis, die er nicht für uns durchlitten hätte.

Dies gibt uns vielleicht eine Vorstellung von den Dimensionen seines Opfers. Ich bin jedes Mal tief bewegt, wenn ich darüber nachdenke, wie unvorstellbar viel Liebe und Mitgefühl er aufgebracht haben muss, um uns Perspektiven voll von begründeter Hoffnung auf Heilung von Schmerzen, Leiden, Einsamkeit, Ungerechtigkeiten und Folgen von Fehlern über dieses Leben hinaus zu eröffnen.

Unabhängig davon, was jeder von uns im Detail glauben oder auch nicht glauben mag, so können wir jedoch alle aus diesem beispiellosen Akt der Liebe lernen, unsere Sinne mehr darauf zu richten, wie wir durch einfache Taten, die Leiden eines anderen Menschen verringern, Trost spenden und Hoffnungslosigkeit in Hoffnung verwandeln können.

Ich wünsche Ihnen ein frohes Osterfest.

Bei der Vorbereitung auf die Botschaft haben mich ein Gemälde, das ich immer sehr gern im Freiberg Tempel anschaue und das Lied „Gloria“ aus Rob Gardner´s großartigem Oratorium „Lamb Of God“ beschäftigt und meine Gedanken beeinflusst.

Frohe Ostern und eine aufbauende Generalkonferenz.

Einem lieben Freund: Gott sei mit dir, bis wir uns wieder sehen

Letzten Samstag haben wir Abschied genommen von einem besonderen Mann, einem Freund und Vorbild – Sanitätsrat Dr. Heinz-Jürgen Sickel aus Wulfen in Anhalt, ein Mitglied der Gemeinde Köthen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage und Patriarch des Pfahles Leipzig.

Er war am Ostersonntag, den 16. April 2017, völlig unerwartet im Alter von 76 Jahren verstorben. Ein großer Mann, einer zu dem wir immer aufschauen werden – in allen Bereichen des Lebens – in seiner Familie, als Arzt, Sportsmann und in seinen vielen kirchlichen Berufungen, die er im Laufe seines Lebens erfüllt hat.

Wir trauern um ihn und fühlen uns mit der gesamten Familie eng verbunden.

Jürgen´s Familie hatte mich gebeten, auf seiner Trauerfeier zu sprechen. Ich bin der Bitte sehr gern nachgekommen. Es war eine schwere Aufgabe, da mich sein Tod sehr stark berührt hat. Es war aber auch eine schöne Aufgabe, über und für einen Mann zu sprechen, für den ich Achtung, Bewunderung und Liebe verspüre. Es war mir eine große Ehre, dass zu tun.

Einige Tage vor seinem Tod hatte ich ein interessantes Erlebnis. Meine beruflichen Reisepläne sahen vor, dass ich in der Woche nach Ostern an einer Messe in China teilnehme, dann das Wochenende in China bleibe und anschließend nach Japan weiterreise, um an Kundenmeetings teilzunehmen. Der Plan sah vor, dass ich vom 17.4. bis 27.4. nicht in Deutschland sein würde.

Am Mittwoch vor Ostern hatte ich das Gefühl, dass ich meine Flüge umbuchen sollte. Ich rief das Reisebüro an und buchte einen Rückflug von Shanghai nach Hause für den 20.4./21.4. und einen neuen Flug von Deutschland nach Japan für den 23.4. bis 27.4.

Es machte zu diesem Zeitpunkt gar keinen Sinn, bedeutete lediglich zusätzlichen Aufwand und Stress. Ich sagte meinen chinesischen Freunden ab, die mich für das Wochenende nach Wuyishan, einer tollen Sehenswürdigkeit in der Provinz Fujian, eingeladen hatten. Sie waren etwas enttäuscht aber sehr verständnisvoll.

Am Ostersonntag, nachmittags, erreichte mich die traurige Nachricht und die Information, dass die Beerdigung am 22.4. stattfinden wird. Ich wusste jetzt, warum ich alles geändert hatte.

Der Trauergottesdienst am Samstag war eines der bewegendsten Ereignisse, die ich miterlebt habe. Ich war stark beeindruckt, von den Botschaften seiner Kinder und unseres gemeinsamen Freundes Manfred Schütze, ebenso von der schönen Musik und den inspirierten Gebeten. Wir haben alle die Macht des Evangeliums Jesu Christi gespürt und den Einfluss des Heiligen Geistes.
Ich hatte die ganze Woche nachgedacht, was ich der Familie und den Hunderten von Trauergästen sagen könnte. Der Schlüssel kam, als ich ein Lied anhörte, dass in der Schwesternversammlung der Generalkonferenz im Oktober 2015 von einem Chor aller Altersgruppen gesungen wurde. Ich fand die Texte der in diesem Medley verwendeten Lieder so treffend und das Arrangement hat mich sehr berührt. Von da an wusste ich, was sagen werde.

Ich habe mir einige Schwerpunkte ausgesucht:

Was habe ich von Jürgen gelernt? Was nehme ich mit? Was wird sich durch sein Vermächtnis in meinem Leben ändern? Er ist den Dingen auf den Grund gegangen, hat mit Entschlossenheit  und Kompetenz Konsequenzen gezogen und eingefordert. Das hat er mit einer bestimmten, natürlichen und liebevollen Autorität getan. Als ich mich auf seinen Rat hin vor zwei Jahren in die Herzklinik nach Leipzig begeben habe, musste ich eine Entscheidung treffen, einem Eingriff an meinem Herzen zuzustimmen oder nicht. Als ich Jürgen anrief, um mir einen finalen Rat zu holen, war es für mich ausreichend, seine Stimme am Telefon zu hören. Er musste nichts erklären. Ich ließ den Eingriff vornehmen und verspürte während der Zeit in der Klinik einen großen Frieden.

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Jürgen wird weiterhin für seine Familie und alle, deren Leben er berührt hat, ein Segen sein – wie ein alter, mächtiger Baum, der stirbt, aber trotzdem seine Nachkommen und seine Umgebung mit seinen Nährstoffen versorgt. Er macht den Boden fruchtbar, in dem jüngere Bäume und Samen heranwachsen. Mir gefällt dieser Vergleich sehr. Er gibt uns Trost, besonders seiner Familie.

Jürgen hat viele Jahre als Patriarch gedient, eine wichtige Berufung, die vom Rat der Zwölf Apostel erteilt wird. Für diese Berufung benötigt man eine große Nähe zu Gott und starken Glauben. Jeder, der von einem Patriarchen seinen persönlichen Segen erhält, wird für ein tieferes Verständnis von diesem großartigen Plan der Erlösung befähigt. Unser Prozess des Verstehens hat im Vorherdasein begonnen und wird in diesem Leben nicht enden. Er geht über dieses Leben hinaus. Wenn wir von einem Menschen Abschied nehmen, können wir große Schritte vorwärts in diesem Prozess machen.

Jürgen ist am Ostersonntag gestorben. Natürlich erinnern wir uns an die besonderen Ereignisse im Zusammenhang mit der buchstäblichen Auferstehung Jesu Christi am dritten Tag nach Seiner Kreuzigung. Ich musste an den Bericht von Maria im Neuen Testament, in Johannes, Kapitel 20 denken. Im Tempel in Freiberg hängt ein Gemälde, das Jesus und Maria in diesem Moment, wo sie Ihn erkennt und begreift, dass die Auferstehung wirklich ist, zeigt.
Ich möchte ab Vers 16 zitieren:
„Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm: Rabbuni (das heißt Meister)!
Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater. Gehe aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.
Maria Magdalena kommt und verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und solches hat er zu mir gesagt.
Am Abend desselben ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten ein und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!
Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen.“ (Johannes 20:16-20, Hervorhebungen vom Verfasser)

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Hier werden große Fragen der Menschheit beantwortet. Jürgen hatte nicht die Spur eines Zweifels an diesen Wahrheiten. Es gibt mir Frieden und macht mich froh.

Nach einem solchen Erlebnis kann man nicht einfach so wieder zur Tagesordnung übergeben. Da bleiben wichtige Dinge haften, über die man Nachdenken muss und nicht einfach beiseite wischen kann. Die Botschaft der Auferstehung ist viel zu wichtig. Es ist traurig, wie wenig Raum sie in der öffentlichen Wahrnehmung und den Medien einnimmt – und wenn, dann oft mit völlig unklaren Deutungen. Dabei gibt es gar keinen Grund zur Unklarheit. Da jeder Mensch diesen Weg gehen muss, wäre es doch viel vernünftiger, sich angemessen damit zu beschäftigen, den Dingen auf den Grund zu gehen und zu verstehen. Moroni, der letzte Schreiber des Buches Mormon, schließt das Buch mit folgendem Vers:

„Und nun sage ich allen Lebewohl. Ich gehe bald hin, im Paradies Gottes zu ruhen, bis sich mein Geist und Leib wieder vereinigen werden und ich im Triumph durch die Luft hingeführt werde, um euch vor dem angenehmen Gericht des großen Jehova zu treffen, des ewigen Richters der Lebenden und der Toten. Amen.“ (Buch Mormon, Moroni 10:34)

Jürgen hatte nicht die Gelegenheit, Lebewohl zu sagen. Aber er war in diesem Prozess des Verstehens sehr, sehr weit vorangekommen und vorbereitet, auf die andere Seite des Schleiers zu gehen, wo er mit Sicherheit auf die für ihn typische Art weiter wirkt. Wir werden ihn immer in unseren Herzen behalten und freuen uns auf das Wiedersehen.