Vorbereitung Pfahlkonferenz #3

Heute möchte ich noch eine Ansprache meines zweiten Ratgebers Mark Schütze von der letzten Pfahlkonferenz posten, die ich ebenfalls sehr wichtig fand. Sehr lesenswert.

Bruder Mark Schütze, 2. Ratgeber in der Pfahlpräsidentschaft

Liebe Geschwister,
zu den angenehmen Teilen oder Aufgaben meiner Berufung, die ich zur Zeit trage, gehört es, fast alle Gemeinden im Pfahl irgendwann einmal zu besuchen oder sie zu erleben, die Mitglieder dort kennen zu lernen und zu sehen, wie dort gearbeitet wird, wie die Gemeinde funktioniert oder wie Themen gegeben werden.

Es ist sehr interessant, wie dies manchmal sehr unterschiedlich passiert und wie die Kultur in einer Gemeinde ist. Es tut mir eigentlich sehr gut zu sehen, wie Menschen auf unterschiedliche Art und Weise miteinander reden und versuchen, gemeinsam zu lernen und Fortschritt zu machen. Ich glaube es ist sehr gesund, dass es verschiedene Varianten gibt.

Zu den weniger schönen Dingen, die Teil der Berufung sind, gehören die Erlebnisse, wenn sich Mitglieder streiten. Das führt oft dazu, dass sich Menschen an die Wand gespielt fühlen, weil sie nicht so eine starke Meinung haben oder weil sie vielleicht nicht verbal miteinander können oder wollen. Sie sind einfach nicht so debattierfähig wie diejenigen, die dies gerne tun. Es ist eigentlich traurig, dies zu sehen, weil diese Mitglieder sich auch traurig fühlen, weil sie manchmal gar nicht mehr wissen, ist das jetzt richtig, was ich glaube oder was ich für mich verstanden habe? Sie fühlen sich deshalb ein wenig so, als wären sie ins Hintertreffen geraten.

Ich habe vor einigen Wochen im Institut eine Matheaufgabe gestellt. Die würde ich Ihnen gerne einmal vorstellen. Sie können dabei versuchen, Ihr Wissen aufzufrischen. Mal sehen, ob sie richtig liegen. 1+0 ist gleich … 1 und 0 ist gleich, manche lachen schon, ist 10. Eins und Null, logisch ist Zehn. Wir hatten eine lebhafte Diskussion, das ist manchmal so das Niveau bei uns im Institut und ich habe mich nicht von meiner Meinung abbringen lassen: 1+0 ist Zehn, das ist logisch. Wer wird sich jetzt durchsetzen bei dieser Diskussion? Der, welcher den längeren Atem hat? Der, der lauter ist? Der, welcher energischer auftritt? Oder vielleicht gibt der nach, der der Klügere ist, wie das Sprichwort es sagt? Geschwister, wenn wir auf so einem Niveau angekommen sind und so in unseren Gemeinden diskutieren, dann haben wir etwas falsch gemacht, dann läuft etwas nicht richtig. Es gibt einen Begriff, den ich vor einiger Zeit gehört habe, Bruder Seidel hat heute in der Priestertumsversammlung schon darüber gesprochen.
Vor einiger Zeit gab es eine Fernsehsendung oder Diskussionsrunde, wo ein Teilnehmer sagte, die Menschen sind heutzutage nur noch empört, nur noch da, um sich aufzuregen, um was nicht richtig zu finden. Genau wie Bruder Seidel hat mich diese Aussage ein wenig gefesselt. Er hat es auf den Punkt gebracht mit diesem Wort, empört zu sein, ein schönes deutsches Wort. Ich fand das eigentlich interessant und ich habe mich auch gefragt, bin ich vielleicht auch manchmal so? Ich bin gerne kritisch, ich diskutiere gerne, es macht Spaß, aber es kann auch gefährlich sein, wenn man auf einmal über Eins plus Null diskutiert und stur und steif behauptet es ist Zehn.
Ich hatte diese Aufgabe auch zu Hause gestellt in unserer Familie und unsere jüngste Tochter sagte spontan „Zehn“. War das wirklich o.k.? Und genau wegen diesen Mathefähigkeiten war ich zu einem Elterngespräch bei ihrer Mathelehrerin gewesen.

Wir wollten eigentlich gemeinsam darüber sprechen, wie man das verbessern kann, wie man helfen kann, dass es besser wird und ordentliche Klassenarbeiten zustande kommen können. Ich musste feststellen, dass die Lehrerin, welche recht patent wirkte und auch bestimmt engagiert war, die ganze Zeit nur selbst geredet hat. Ich habe versucht, ihr zu erklären, was unsere Situation ist und ich kam genau vier oder fünf Worte weit. Sie fing an zu erzählen und redete darüber, wie es bei ihr war, wie sie gelernt hat und was man machen muss. Ich hatte versucht, meine Tochter in das Gespräch einzubringen. Sie ist ein bisschen schüchterner und ist nur bis zu zwei Worten gekommen und dann redete wieder die Lehrerin. Nichts Schlimmes, nichts Schlechtes, eigentlich alles gut, aber nach einer Weile dachte ich, dieses Gespräch ist eigentlich sinnlos. Es konnte ja nicht dazu führen, auf das einzugehen, was uns bewegt, was unsere Probleme sind. Dennoch dauerte das Gespräch über zwanzig Minuten und am Ende erwähnte die Lehrerin, dass sie es schön fand, dass wir da waren und das Elterngespräch gesucht haben, weil wir die Einzigen waren, die nach einem Termin gefragt haben. Ich dachte so: „Ja genau, das nächste Mal wird es vielleicht gar keiner mehr sein, weil es keine Hilfe für uns war.

Geschwister, in der Vorbereitung auf diese Ansprache musste ich genau an dieses Beispiel denken. Manchmal mögen wir gute Absichten haben, wir mögen vielleicht denken wir haben es besser verstanden oder wie auch immer und wir reden und reden, ich rede auch gerade, doch das ist eben so bei einer Ansprache. Aber lassen wir bei einem Gespräch andere auch nicht zu Wort kommen? Das kann vielleicht manchmal so weit führen, dass sich andere missverstanden fühlen, dass andere vielleicht an sich selbst zweifeln. Dieses Wort „empört“, ich will das nicht zu sehr ausbreiten, finden wir auch manchmal in der Schrift. Ich möchte Ihnen eine Schriftstelle vorlesen aus den Psalmen, wo es heißt:
„Er stellte sein Gesetz auf in Jacob und gab in Israel Weisung. Und gebot den Vätern, ihre Kinder das alles zu lehren, damit sie ihr Vertrauen auf Gott setzen, die Taten Gottes nicht vergessen und seine Gebote wahren und nicht werden wie ihre Väter, jenes Geschlecht voll Trotz und Empörung, das wankelmütige Geschlecht, dessen Geist nicht treu zu Gott hielt.“ (Psalm 78:5-8)

Was ich mit diesem Gleichnis und dieser Matheaufgabe eigentlich sagen möchte, sowie auch mit dem Beispiel aus der Schule: Wann immer wir reden sind wir relativ schlecht darin, zuhören zu können und auch wenig gut dabei, etwas verstehen zu können. Wann immer wir uns missverstehen, ist die Tendenz dabei auch immer: Warum versteht mich denn keiner, ich hab doch Recht! Das mag manchmal gar nicht absichtlich passieren, aber manchmal ist es auch ein wenig wie eine Debatte und das ist eigentlich das, was wir in der Kirche gar nicht wollen. Wir wollen nicht debattieren und nicht darüber diskutieren, wer hat am meisten Recht, wer kann sich durchsetzen, wer hat die besten Argumente, wer spielt den anderen verbal ins Hintertreffen. Das ist nicht das Ziel. Können Sie sich vorstellen, dass Sie in einer Oper sitzen und ich sitze dort auch. Und ich sag es Ihnen ganz ehrlich, Opernmusik ist nicht so mein Ding. Ich könnte zum Beispiel, nur weil mir langweilig ist, so einen großen Ghettoblaster herausholen und meine Musik lautstark anhören. Stellen Sie sich mal vor, das würde tatsächlich jemand machen.

Was glauben Sie, wie lange derjenige in dieser Oper noch sitzen würde? Vielleicht würde dieser, nach der Aufforderung zu gehen, sich aufregen: Warum soll ich denn gehen, ich möchte meine Musik hören, weil mir das andere nicht gefällt. Wenn wir so eine Situation in der Kirche erreichen, dass wir uns aufregen oder dass wir energisch werden, nur weil unsere Meinung sich jetzt nicht durchsetzt, Geschwister, dann stehen wir eigentlich vor dem Problem, keine Einigkeit mehr zu haben. Wir bringen dann den Gedanken von Zion, von dem wir heute schon mehrfach gesprochen haben, in Gefahr. Wir müssen uns selbst immer wieder fragen, an welcher Stelle wir was sagen und wo wir auch besser mal zuhören sollten, um von anderen zu lernen. Es geht eben nicht darum, dass wir einfach nur unsere Meinung durchsetzen. Es geht nicht darum, dass wir solange reden, bis keiner mehr zuhört, weil alle aufgegeben haben, oder bis vielleicht keiner mehr zu uns kommt, wie bei der Mathelehrerin.
Wollen wir, dass vielleicht keine Mitglieder mehr gerne zur Gemeinde kommen, Untersucher erst recht nicht und vielleicht irgendwann der Heilige Geist sich auch nicht mehr müht, uns erreichen zu wollen? Bitte lassen Sie uns einander zuhören. Lassen Sie uns einander die Gedanken, die Meinungen, die andere haben, anhören. Belehren wir aber auch einander. Das ist eine sehr schöne Methode, die wir in diesen Wochen anwenden sollen, um uns miteinander zu beraten. Miteinander beraten heißt: Ich höre und ich lerne. Ich rede nicht, um mich durchzusetzen, sondern um mein Verständnis darzulegen.

Es gibt eine Schriftstelle in LuB 88, die Sie auch alle kennen. In Vers 122 heißt es: „Bestimmt unter euch einen zum Lehrer und lasst nicht alle auf einmal Wortführer sein, sondern lasst immer nur einen reden, und lasst alle seinen Worten zuhören, so dass, wenn alle geredet haben, (wenn alle reden und alle hören der Rede zu, können Sie sich vorstellen, das ist ziemlich viel) alle durch alle erbaut worden sein mögen und ein jeder das gleiche Recht habe“.
Geschwister, sind wir in der Art und Weise, in der wir miteinander reden, mit der wir einander belehren und auch lernen, friedfertig und geduldig. Denken wir nicht, weil wir uns vielleicht ganz sicher sind, dass unsere Meinung wirklich stimmt, dass wir Recht haben. Ich habe vor einiger Zeit ein Beispiel aus einem anderen Pfahl gehört, wo jugendliche Institutsstudenten in der Priesterschaft aus der Klasse heraus gebeten wurden, weil sie das, was in den neuen Kursen gelehrt wird, in der Priestertumsklasse wiedergegeben haben. Im Institut wird mit der Geschichte der Kirche relativ offen umgegangen und Sachen auch ausgesprochen, die bisher vielleicht seltener angesprochen worden sind. Diese jungen Brüder wurden buchstäblich der Klasse verwiesen, weil das was sie sagten, sich keiner anhören wollte oder konnte.
Das sind genau die Worte, die über Christus gesagt wurden als er in Johannes 6:60 davon sprach, dass er das Brot des Lebens sei und viele meinten, sie können seine Rede nicht anhören, weil sie diese eigentlich nicht verstanden. Wir haben immer Gelegenheit, voneinander zu lernen und über das, was gesagt wird nachzudenken. Dann sollen und müssen wir auf den Punkt kommen, dass wir am Beispiel von Jesus Christus festhalten. Es geht nicht darum, welcher Meinung wir sind und nicht darum, Fehler zu finden, sondern es geht darum, was wir tun können, um dem Beispiel von Jesus Christus besser zu folgen und dass wir unserem Ziel, ihm ähnlicher zu werden, näher kommen. Ich möchte uns alle auffordern, dass wir uns Gedanken machen und uns manchmal ein wenig zurücknehmen. Wir mögen vielleicht denken, dass dies kein großes Problem ist, aber für manche Mitglieder stellt es eine Herausforderung dar, dies zu erleben, weil es ihren Glauben manchmal angreift und erschüttert und sie sich dann auch nicht wohlfühlen.

Das ist es, was wir Ihnen heute zu diesem Thema sagen möchten und ich bitte Sie alle, dieser Friedensstifter zu sein, von dem häufiger die Rede ist. Seien sie weniger der, der nicht hört und der streitet, sondern hören sie gut zu, was die anderen zu sagen haben. Dann können wir viel voneinander lernen.
Im Namen Jesu Christi.
Amen.