Letztes Wochenende habe ich mich gründlich mit dem ersten Teil von Mosia 2 im Buch Mormon beschäftigt. Esther und ich haben uns während unserer kleinen Heim-Abendmahlsversammlung darüber unterhalten. Im Leitfaden gab es ja gute Anregungen dazu. Sie meinte dann, dass ich wieder ein Video für meine Klasse machen sollte. Man sollte auf den Rat seiner Ehefrau hören. 🙂
Wir nehmen uns manchmal in der Kirche zu wenig Zeit, in die Tiefe von Schriftstellen zu schauen und wollen zu viel in einer Stunde besprechen. Oberflächlichkeit macht es aber schwerer, persönliche Bezüge zu finden, Zusammenhänge herzustellen und wichtige Wahrheiten auch zu fühlen.
Von Zeit zu Zeit stöbere ich auf speeches.byu.edu in den BYU Devotionals, um mir interessante Vorträge als MP3 herunterzuladen und bei langen Autofahrten oder im Flieger anzuhören.
Vor einigen Wochen habe ich einen Vortrag von Tad Callister gefunden, den er am 1. November 2016 an der BYU gegeben hat. Es geht darin um die Kontroverse, ob das Buch Mormon eine Erfindung von Joseph Smith oder von Gott gegeben ist. Der Vortrag ist brillant und eigentlich müsste man ihn ins Deutsche übersetzen, damit er allen zugänglich wird, die nicht so fit in Englisch sind.
Jeder kann über die Kirche, Joseph Smith oder auch das Buch Mormon denken was sie oder er will. Man kann an verschiedenen Dingen Anstoß nehmen und zu kontroversen Antworten kommen, je nachdem für welche Perspektive man sich entscheidet. Man kann versuchen, eigene Diskrepanzen zur Lehre oder Anwendung der Lehre, mit Verweis auf die Fehler von Kirchenführern, zu rechtfertigen. Man kann entscheiden, welchen Quellen man mehr vertraut oder in welchen historischen Kontext man sich zur Beurteilung begeben möchte (manchen Menschen, die sich damit ganz offensichtlich schwer tun, wünsche ich sehr, dass in 100 Jahren ihr eigenes Leben im heutigen Kontext betrachtet wird und nicht mit dem, den wir in 100 Jahren haben werden, was deutlich mehr Mühe macht). Man kann frühen Kirchenführern (insbesondere und sehr beliebt bei Joseph Smith) das Recht, Fehler zu machen, absprechen (was für mich unvernünftig ist, wenn man die Umstände, die Aufgabe, die Gesetzmäßigkeit, dass Erfahrung auf Erfahrung aufbaut und die zu lösenden Probleme betrachtet).
Aber eines kann man meiner Meinung nach nicht. Man kann sich nicht einfach so am Buch Mormon, seiner Entstehungsgeschichte, der Lehre und seiner Bedeutung für die Existenz der Kirche und die Menschheit als Ganzes vorbeimogeln.
Tad Callister erklärt sehr einleuchtend, warum das nicht geht. Man kann die Auseinandersetzung mit dem Buch natürlich sehr leicht vermeiden, indem man es ignoriert. Es ändert aber nichts an seiner Entstehung und universellen Bedeutung.
Es ist klar, dass es nicht einfach ist, an den göttlichen Ursprung eines Buches zu glauben. Ich kenne viele, die gern glauben würden, aber sie schaffen es nicht – häufig wegen der damit einhergehenden Konsequenzen. Dafür muss man Verständnis aufbringen.
Im Vortrag wird beschrieben, dass man sich auf wenig stichhaltige, abenteuerliche und teilweise haarsträubende Hypothesen einlassen muss, wenn man nach Alternativen zur Aussage sucht, dass Joseph Smith das Buch Mormon durch die Macht Gottes übersetzt hat und die Entstehung dieses Buches auch gar nicht anders möglich war.
Die entscheidenden Fragen haben sehr wenig mit Archäologie oder Geographie zu tun. Es geht um die Botschaft des Buches Mormon, die klaren und nachhaltigen Lehren, die darin enthalten sind und die viele Irrtümer korrigieren.
Elder Callister nennt dafür einige prägnante Beispiele:
2. Nephi Kapitel 2 – klärt eindeutig, dass der Fall von Adam und Eva kein Schritt zurück, sondern ein wichtiger Schritt vorwärts im Plan der Erlösung war;
Alma 13 – wo wir über die Präexistenz lernen, ohne die alles andere total unvollständig wäre;
Alma 40 – erklärt, was es mit der postmortalen Geisterwelt auf sich hat;
Alma 32 – aus meiner Sicht die beste Erläuterung in den Schriften, wie man Glauben entwickeln kann;
Mosiah 2-5 – eine der beeindruckendsten Predigten über das Sühnopfer von Jesus Christus;
Der Zweck und die korrekte Durchführung der Taufe wird in mehreren Schriftstellen erklärt. Genauso alle Bestandteile des Sühnopfers und ihre Bedeutung.
3. Nephi 11 – der auferstandene Christus erscheint den Bewohnern des Landes, wodurch wir ein weiteres Zeugnis von Ihm erhalten.
Ich habe mir mal die Zeit genommen und für mich eine Zusammenfassung von wichtigen Kapiteln des Buches erstellt. Die Liste ist nicht vollständig, aber sie hat ein enormes Gewicht. Jedesmal, wenn ich das alles lese, beeindrucken mich die Klarheit und die Weitsicht des Buches, die Dimension der Perspektiven, die es eröffnet. Ich schätze die Herausforderungen für Herz und Verstand und die Möglichkeit, eine Bestätigung für die Wahrheit des Buches zu erhalten (siehe Link zu Moroni 10 unten).
Selbst wenn jemand sich nicht in der Lage sieht, eine solche Bestätigung zu erhalten oder glaubt, keine zu benötigen, gibt es trotzdem so viel aus dem Buch zu lernen und reichlich Stoff zum nachdenken.
Ich erhalte diese Bestätigung ständig wieder – ganz besonders dann, wenn ich das Gelesene auf mich und heute beziehe.
Alma 39-42: Moralische Werte und eine der umfassendsten Erläuterungen des gesamten Planes der Erlösung: Glaube, Umkehr, Bündnisse, Tod, Auferstehung, Zustand nach dem Tod.
Helaman 2: Der Fluch des organisierten Verbrechens und seiner Unterstützer.
Helaman 6: Wie es geschehen kann, dass organisiertes Verbrechen eine Gesellschaft dominiert.
3. Nephi 1-6: Enthält viele Schlüssel, um die heutige Zeit zu verstehen; Verheißungen Gottes erfüllen sich unabhängig vom Willen der Menschen; Werteverfall und weitverbreitete Akzeptanz krimineller Strukturen spalten die Gesellschaft; das organisierte Verbrechen kann nur durch Zusammenhalt und außerordentliche Anstrengungen besiegt werden; durch den Kreislauf des Stolzes verfällt die Gesellschaft schnell wieder in alte Fehler.
3. Nephi 11-26: Das Erscheinen des auferstandenen Jesus Christus und Sein nachhaltiges Wirken unter den Nephiten; die Bergpredigt wiederholt; grundlegende Verordnungen wie Taufe und Abendmahl umfassend erklärt.
4. Nephi 1: Wie eine gerechte Gesellschaft gebildet werden kann; 200 Jahre Frieden und Gedeihen; die Ursachen für den Zerfall und die tragischen Auswirkungen.
Mormon 1-6: Der vollständige Verfall moralischer Werte und die Entwicklung zu einer Kultur des ungebändigten Hasses, die in Vernichtungskriegen endet.
Mormon 9: Parallelen zu unserer Zeit; warum Glaube an Jesus Christus und das Erwerben von Kenntnissen von den Absichten Gottes wichtig sind.
Ether 3-4: Glauben entwickelt sich zu Wissen durch Anwendung; fortlaufende Offenbarung ist eine Funktion der Anwendung von bereits gegebener Offenbarung.
Ether 8: Warnung vor geheimen Verbindungen und die Bedrohung der Freiheit von Völkern.
Ether 12: Über Glauben und Wunder; ein Schlüssel wie Schwächen in Stärken verwandelt werden können.
Moroni 7: Das Gebet und die Unterscheidung von Gut und Böse; das Licht Christi steht jedem Menschen zur Verfügung; der Zusammenhang von Glaube, Hoffnung und Nächstenliebe.
Moroni 8: Warum kleine Kinder keine Taufe benötigen.
Moroni 10; Jeder kann durch die Macht des Heiligen Geistes ein Zeugnis vom Buch Mormon erhalten; Aufforderung zu Christus zu kommen.
Präsident Thomas S. Monson hat zur letzten Generalkonferenz ein kurze Ansprache gegeben und dort unter anderem gesagt:
„Heute Morgen spreche ich über die Macht des Buches Mormon und darüber, wie dringend nötig wir als Mitglieder dieser Kirche es haben, uns mit seinen Lehren zu befassen, über sie nachzudenken und sie in unserem Leben anzuwenden. Wie wichtig es ist, ein festes und sicheres Zeugnis vom Buch Mormon zu haben, kann nicht genug betont werden.“
(siehe https://www.lds.org/general-conference/2017/04/the-power-of-the-book-of-mormon?lang=deu)
In der Zeit, in der man als Präsident eines Pfahles dient, lernt man die Gemeinden und die Mitglieder des Pfahles sehr gut kennen. Man führt im Laufe der Jahre tausende Gespräche und bekommt ein Gefühl dafür, was den Menschen den meisten Kummer bereitet. Die Antwort ist sehr eindeutig. Die größten Probleme befinden sich im zwischenmenschlichen Bereich und wirken sich auf viele andere Dinge aus.
Ich denke viel darüber nach, wie wir die Arbeit in der Kirche und unsere Seelsorge verbessern können und uns auf die Herausforderungen im neuen Jahr und in den nächsten Jahren einstellen.
Meine Gedanken dazu habe ich letzten Sonntag in der Gemeinde Zwickau in einem Vortrag erklärt. Wir müssen uns immer wieder auf unsere christlichen Werte besinnen, die Lehre besser verstehen und anwenden. Das ist keine bequeme Botschaft, aber sie ist nachhaltig. In den Perspektiven, die sie bietet, ist sie durch keine menschliche Philosophie zu übertreffen. Das begeistert mich immer wieder aufs Neue.
Hier sind die Folien, die ich innerhalb meines Verantwortungsbereiches verwende. Sie bedürfen natürlich weiterer Erklärungen, die ich hier nicht einfügen kann, aber vielleicht findet der eine oder andere trotzdem Anregungen.
Als ich kürzlich nach Leipzig fuhr, überholte ich ein Auto, auf dem hinten ein Aufkleber mit der Aufschrift „Religion ist heilbar“ angebracht war. Ich dachte, Junge, wenn du wüsstest, was ich weiß , würdest du dir was anderes ans Auto kleben. J
Der Besitzer des Wagens wusste offensichtlich nicht, dass es nicht um für oder gegen Religion geht, genauso wenig um Religion gegen Wissenschaft, sondern um Wahrheit oder Irrtum, Recht oder Unrecht, Glaube oder Unglaube, Moral oder Unmoral, Rechtschaffenheit oder Sünde. Die Aufzählung könnte man fortsetzen.
Wenn man konsistent mit dem Slogan auf dem Autoaufkleber argumentieren möchte, muss man die populären Weltanschauungen, die vorgeben, keinen Gott zu brauchen, wohl auch als eine Art „Religion“ bezeichnen. Da gibt es Wahrheiten, viele Unwahrheiten und am Ende ist es auch reine Glaubenssache, nicht an Gott zu glauben.
Diese „Religion“ verehrt Dinge, Reichtum, Gewohnheiten, Celebrities und vieles mehr teilweise mit einer erstaunlichen Intensität, die oft eine normale Gottesverehrung übertrifft.
Sie wird weltweit am effektivsten verbreitet, da sie die populärsten Medien auf ihrer Seite hat, und sie hat es nicht gern, wenn sie auf Widerstand stößt. Dann nutzt sie ihre Macht und ihren Einfluss, um ihre Stellung als gesellschaftlicher Mainstream durchzusetzen.
Ihre Anhänger predigen eine Freiheit, die niemals eine sein kann. Wenn große Teile einer Gesellschaft moralisch nur so handeln, wie es ihnen gerade in den Sinn kommt oder weil es viele Leute populär finden, dann hat das Folgen, die wiederum die Freiheit oder das Leben anderer erheblich beeinträchtigen. Propagierter Egoismus kann von Natur aus auch nicht nachhaltig Generationen voraus denken, weil die Konsequenzen unliebsam und mit kurzfristiger Selbstverwirklichung nur schwer in Einklang zu bringen sind.
Das Buch Mormon drückt in 1. Nephi 13:4-9 dieses Phänomen sehr explizit aus:
„4 Und es begab sich: Ich sah unter den Nationen der Andern die Entstehung einer großen Kirche.
5 Und der Engel sprach zu mir: Sieh die Entstehung einer Kirche, die vor allen anderen Kirchen höchst greuelreich ist, die die Heiligen Gottes tötet, ja, und sie foltert und sie niederbindet und sie mit einem eisernen Joch unterjocht und sie in Gefangenschaft hinabbringt.
6 Und es begab sich: Ich sah diese große und greuelreiche Kirche; und ich sah den Teufel, daß er ihr Gründer war.
7 Und ich sah auch Gold und Silber und Seide und Purpur und feingezwirntes Leinen und allerart kostbare Gewänder; und ich sah viele Dirnen.
8 Und der Engel sprach zu mir, nämlich: Siehe, das Gold und das Silber und die Seide und der Purpur und das feingezwirnte Leinen und die kostbaren Gewänder und die Dirnen sind die Begierden dieser großen und greuelreichen Kirche.
9 Und auch, um von der Welt gelobt zu werden, vernichten sie die Heiligen Gottes und bringen sie in Gefangenschaft hinab.“
Es wäre natürlich ein Fehler, diese vor mehr als 2500 Jahren geschilderte Gebilde mit einer einzelnen bestehenden Organisation zu assoziieren. Viel mehr ist es interessant, ihre Ziele anzuschauen und woher ihre Ideen kommen, ohne zu behaupten, dass in diesen wenigen Versen, alle Eigenschaften erschöpfend genannt werden. Es sind nur die offensichtlichsten. Die subtilen diskutieren wir später.
Also, dieses Gebilde hat folgende Eigenschaften:
– Es versucht, sich mit Gewalt durchzusetzen, in dem es tötet, verfolgt, verspottet und Menschen auf vielfältige Weise in Abhängigkeit bringt. Dies kann durchaus auf unwahre Religion zutreffen, aber es trifft genauso auf alle anderen gesellschaftlichen Strömungen zu, die auf die gleiche Weise arbeiten.
– Sein Hauptanliegen besteht darin, Gewinn zu erzielen und Macht zu erlangen. Alles andere wird diesen Zielen untergeordnet. Das Machtstreben besteht nicht nur im Streben nach politischer oder ökonomischer Macht. Es geht viel tiefer.
– Es setzt die offenbarten moralischen Werte Gottes außer Kraft, macht erfolgreich sexuelle Freizügigkeit und Ausschweifung populär, zerstört Familien und kümmert sich nicht, um die daraus entstehenden Folgen. Es verhindert, dass gesellschaftliche Probleme an ihren Wurzeln angepackt werden, denn das würde den Verlust an Macht und Gewinn bedeuten.
– Es strebt vor allem nach Popularität, in dem es den Menschen die Zustimmung zu lockeren Maßstäben vereinfacht sowie Verantwortung und Rechenschaftspflicht negiert. Es muss dabei gegen universelle Wahrheit und Gott argumentieren, da die Gebote Gottes die Übernahme von Verantwortung verlangen und eines Tages Rechenschaft von jedem gefordert werden wird.
Jeder, der über Religion spottet, sollte sich also anhand dieser einfachen Kriterien hinterfragen, genauso wie jeder, der sich zu einer Religion bekennt.
In diesem Prozess des Hinterfragens muss man sich natürlich auch noch viel mehr Fragen stellen und untersuchen, welche Perspektiven die eigene Weltanschauung hat, wie nachhaltig sie ist, ob sie dauerhaftes Glücklichsein erreichen kann für jetzt, zukünftige Generationen und über dieses Leben hinaus.