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Miteinander beraten

Eine der größten Herausforderungen, der wir im kirchlichen, beruflichen und familiären Umfeld begegnen, ist es, Einigkeit zu erzielen, wenn Menschen mit unterschiedlichen Meinungen, Voraussetzungen, Interessen und Zielen, aufeinander treffen, um miteinander zu beraten und Entscheidungen in einer Sache zu treffen.

Newski Kathedrale Sofia

Die Politik ist dabei kein gutes Vorbild mehr. Zu groß scheinen die Meinungsverschiedenheiten und Interessenskonflikte. Die sogenannte Streitkultur wirkt abstoßend und ist wenig produktiv. Allerdings wird dabei oft vergessen, dass die im Streit zutage tretenden Verhaltensweisen, ein Spiegelbild der Gesellschaft sind.

Wenn wir in der Kirche Jesu Christi miteinander Rat halten, haben wir andere Ideale.

Jesus Christus hat oft betont: „Wenn ihr nicht eins seid, so seid ihr nicht mein.“ (Siehe Johannes 17:21, Lehre und Bündnisse 38:27)

Er hat ebenfalls nachdrücklich darauf hingewiesen, dass Organisationen, die miteinander im Streit liegen, nicht erfolgreich sein können, sondern sich entscheidend schwächen: „Weil Jesus nun ihre Gedanken kannte, sagte er zu ihnen: Jedes Reich, das in sich selbst uneinig ist, wird verwüstet, und keine Stadt, kein Haus, die in sich selbst uneinig sind, können Bestand haben.“ (Siehe Matthäus 12:25)

Weiterhin hat er klar gemacht, wer die Quelle aller Wahrheit ist: „Die Herrlichkeit Gottes ist Intelligenz oder, mit anderen Worten, Licht und Wahrheit.“ (Lehre und Bündnisse 93:36) und wie wichtig es ist, Wahrheit zu suchen und darin zu verbleiben: „Wenn ihr in meinem Wort bleibt, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ (Johannes 8:31-32).

Vergangenes Wochenende habe ich in Sofia wieder erfahren dürfen, wie erbauend, stärkend und erfolgreich es ist, wenn auf die Weise des Herrn Rat gehalten wird. Wir haben das auf machtvolle Weise verspürt. Wir haben ein gemeinsames, sehr ambitioniertes Ziel. Wir haben zu Beginn eine starke geistige Grundlage auf Basis der Schriften geschaffen, einander auf wertschätzende Weise zugehört, voneinander gelernt sowie Ideen und Informationen ausgetauscht.

Während der Beratung ist das Ziel für uns greifbarer geworden. Wir haben den Einfluss des Heiligen Geistes gefühlt, wodurch unser Glaube gestärkt wurde, und wir haben die Tür für den weiteren Erkenntnisprozess geöffnet.

Gemeindehaus der Kirche Jesu Christi in Sofia

In Lehre und Bündnisse 88:122 lesen wir:

Bestimmt unter euch einen zum Lehrer, und lasst nicht alle auf einmal Wortführer sein; sondern lasst immer nur einen reden, und lasst alle seinen Worten zuhören, damit, wenn alle geredet haben, alle durch alle erbaut worden sein mögen und ein jeder das gleiche Recht habe.

Und weiter im Vers 125:

Und vor allem: Bekleidet euch mit dem Band der Nächstenliebe wie mit einem Mantel, denn es ist dies das Band der Vollkommenheit und des Friedens.

Selbstverständlich gilt das gleichermaßen für Frauen und Männer.

Vor der Inspiration kommt die Information. Wenn dies beachtet wird, beides koexistiert und diejenigen, die miteinander beraten, die Demut und den Wunsch haben, in der Folge Ratschläge oder Offenbarung von Gott anzunehmen, ihr Lebenswandel und ihr Herz das Wirken des Heiligen Geistes ermöglichen und, wenn es erforderlich ist, bereit sind, die eigene persönliche Agenda zu vernachlässigen, erreichen wir, was in den  vorstehenden Versen gemeint ist.

Die „Lehrer“ sind in diesem Fall nicht die Meinungsstärksten oder die, die alles besser wissen. Der Lehrer ist idealerweise der Heilige Geist. Diejenigen, die miteinander beraten, mögen anfangs unterschiedliche Auffassungen haben und diese auch vertreten. Werden aber die Prinzipien Gottes befolgt, wird ein Prozess der Annäherung eintreten. Jeder wird den Einfluss des Heiligen Geistes spüren und davon lernen.

Es kann dauern, bis jeder im Rat diesen Prozess versteht. Gemeinsames Beschäftigen mit dem offenbarten Wort Gottes (nicht irgendwelchen Derivaten davon) und Beten und Fasten sind dabei essentiell. Die Wahrheiten, die Gott uns mit Hilfe des Heiligen Geistes lehren möchte, sind keine Meinungssache. Sie werden durch Befolgung des Prozesses offenkundig und führen zu inspirierten Entscheidungen anstelle von schlechten Kompromissen, die irgendwie jedem gerecht werden sollen. Letzteres funktioniert nachweislich selten gut, wie wir ständig in der Gesellschaft verfolgen können.

Gelingt uns das immer, wenn wir in der Kirche miteinander beraten? Leider nicht immer. Der Herr hat uns aber sehr gute Hinweise zur Problemdiagnose gegeben. Einer der besten und umfassendsten findet sich ebenfalls in Lehre und Bündnisse 121:34-45:

34 Siehe, viele gibt es, die berufen sind, aber wenige werden erwählt. Und warum werden sie nicht erwählt? 35 Weil sie ihr Herz so sehr auf die Dinge dieser Welt gesetzt haben und nach den Ehren der Menschen streben, dass sie diese eine Lehre nicht lernen: 36 dass die Rechte des Priestertums untrennbar mit den Mächten des Himmels verbunden sind und dass die Mächte des Himmels nur nach den Grundsätzen der Rechtschaffenheit beherrscht und gebraucht werden können. 37 Dass sie uns übertragen werden können, das ist wahr; aber wenn wir versuchen, unsere Sünden zu verdecken oder unseren Stolz und eitlen Ehrgeiz zu befriedigen, oder wenn wir auch nur mit dem geringsten Maß von Unrecht irgendwelche Gewalt oder Herrschaft oder Nötigung auf die Seele der Menschenkinder ausüben wollen – siehe, dann ziehen sich die Himmel zurück, der Geist des Herrn ist betrübt, und wenn er sich zurückgezogen hat, dann Amen zum Priestertum oder der Vollmacht jenes Mannes. 38 Siehe, ehe er es gewahr wird, ist er sich selbst überlassen, gegen den Stachel auszuschlagen, die Heiligen zu verfolgen und gegen Gott zu streiten. 39 Traurige Erfahrung hat uns gelehrt: Fast jedermann neigt von Natur aus dazu, sogleich mit dem Ausüben ungerechter Herrschaft anzufangen, sobald er meint, ein wenig Vollmacht erhalten zu haben. 40 Daher sind zwar viele berufen, werden aber wenige erwählt. 41 Kraft des Priestertums kann und soll keine Macht und kein Einfluss anders geltend gemacht werden als nur mit überzeugender Rede, mit Langmut, mit Milde und Sanftmut und mit ungeheuchelter Liebe, 42 mit Wohlwollen und mit reiner Erkenntnis, wodurch sich die Seele sehr erweitert, ohne Heuchelei und ohne Falschheit – 43 zur rechten Zeit mit aller Deutlichkeit zurechtweisend, wenn vom Heiligen Geist dazu bewogen; und danach demjenigen, den du zurechtgewiesen hast, vermehrte Liebe erweisend, damit er nicht meint, du seiest sein Feind, 44 damit er weiß, dass deine Treue stärker ist als die Fesseln des Todes. 45 Lass dein Inneres auch erfüllt sein von Nächstenliebe zu allen Menschen und zum Haushalt des Glaubens, und lass Tugend immerfort deine Gedanken zieren; dann wird dein Vertrauen in der Gegenwart Gottes stark werden, und die Lehre des Priestertums wird dir auf die Seele niederträufeln wie der Tau vom Himmel.

Man mag sich vorstellen, um wieviel es uns besser gehen könnte, wenn diese Prinzipien Gottes häufiger angewandt würden.

Es gelingt nicht immer. Wir sind alle nicht perfekt. Von Zeit zu Zeit mag es Ratsversammlungen geben, die nicht erbaut haben, wo die Grundlagen, um Inspiration zu empfangen, nicht gut gelegt wurden und es mehr um den spannungsgeladenen Austausch kontroverser Meinungen ging als darum, den Willen Gottes zu erfahren. Dabei liegt in letzterem die größte Kraft.

Sollten wir aufgeben, weil dieser Prozess nicht einfach umzusetzen ist? Natürlich nicht.

Die beiden größten Gebote, Gott und unseren Nächsten zu lieben, helfen uns, mit Schwierigkeiten umzugehen und unseren eigenen Stolz zu bremsen.

Wir können beständig daran arbeiten, es besser zu machen und erleben, wie sich Dinge zum positiven verändern, Schritt für Schritt.